Nur der Adler sprach zu mir. Die Geschichte von einem, der auszog, das Leben neu zu lernen by Friedrich Abel

Nur der Adler sprach zu mir. Die Geschichte von einem, der auszog, das Leben neu zu lernen by Friedrich Abel

Autor:Friedrich Abel [Abel, Friedrich]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783105606940
Herausgeber: FISCHER E-Books
veröffentlicht: 2015-12-21T16:00:00+00:00


Nach dem Frühstück half ich Wayne beim Pferdefüttern und anderen kleinen Arbeiten, die gerade anfielen. Später ritt ich zu den Schafen hinaus. Sie grasten am Fuße eines niedrigen Tafelberges, und als ich sie erreicht hatte, ließ ich die Zügel fallen. Das Pferd, ans Schafehüten gewöhnt, folgte ihnen von selbst.

Bike hoscho Kidzibahi: Die Harmonie und Schönheit, die von der lebendigen inneren Form des Berges auf mich überströmte. Ich konnte an den roten Sandsteinklippen vorbeistreichen und an das Haus der heiligen Leute denken, ohne selbstironisch zu lächeln oder den Gedanken gleich wieder zurückzunehmen. Ich ließ ihn sein. Ich zerrte nicht daran herum. Ich gab ihm ein wenig Platz in mir. »Aus den Canyons wird Glück zu mir kommen«, sangen die Navajos. »Von den wassergeschliffenen Steinen und von heiligen Bergen. Vom Haus aus frühem Morgen wird Glück zu mir kommen und von dort, wo das Sonnenlicht als erstes auftrifft. Von gestreiften Felsen wird Glück zu mir kommen, von Echos der Canyonwände und von dort, wo der blaue Wind geht. Ich werde dort gehen, wo Regenbogen schweben und auf Klippen die Vögel zu hören sind. Ich werde gehen, wo alle Arten von Pflanzen wachsen. Ich werde unter Tau und Blütenstaub gehen. Blütenstaub und Tau werden meine Füße berühren. Der Atem von allen wird meine Stimme durchdringen, meine Augen berühren und in meinen Kopf ziehen. Mit den Wurzeln der Sonnenstrahlen, die mein Denken berühren, ist alles Glück, ist alles gut.«

Die Lampen im Hogan erloschen an diesem Abend schon früh. Wayne erwartete keinen Patienten, und wir hatten alle viel Schlaf nachzuholen. Das Feuer brannte erst wieder am darauffolgenden Abend. In vier Pritschenwagen kamen an die zwanzig Navajos und zogen einen dichten Menschenkreis um den Sandaltar. Dort lag ein quadratisches weißes Tuch, auf das eine kreisrunde Fläche Sand geschüttet war. Im Zentrum eines fünfzackigen Sternes aus rotbraunem Sand stand ein mächtiger Bergkristall, der über eine dunkle Sandspur mit einem kleineren Kristall am Kreisrand verbunden war. Wayne zog jetzt mit weißem Maismehl einen Kreis um den Stern und häufte darauf im Norden, Süden, Osten und Westen je ein kleines Sandhügelchen. Dicht davor steckte er kleine Adlerfedern in den Boden.

Nachdem wir Peyotetee getrunken hatten, blies Ethelou die Lampen aus. In die Schwärze und Stille hinein brach nur hin und wieder ein Räuspern oder ein unterdrücktes Husten. Die Gegenwart der anderen wurde mir von Minute zu Minute stärker bewußt. Befreit von den grenzziehenden Augenbildern, schien der Körper Signale empfangen zu können, die ihm normalerweise verborgen blieben. Ich konnte es nicht in Sprache umsetzen, was da einsickerte in mich. Es war ein so zarter Hauch, daß er sich auflöste, wenn ich zu denken begann.

Waynes Stimme unterbrach das Lauschen der Poren meiner Haut. Aus dem Dunkel kommend, klang sein Navajo noch tiefer und kehliger als sonst. Er betete in einem langsam ansteigenden Stakkato. Die Pausen zwischen den Wörtern und Sätzen wurden immer kürzer und schließlich verbanden sich diese zu einem fortlaufenden Wortschwall, den er hin und wieder mit einem tiefen Atemzug unterbrach. Er hatte offensichtlich mehr als einen Patienten; drei Männer und



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